In diesen Tagen geht eine relativ unbekannte kirchliche Jahreszeit zu Ende. Es ist die Schöpfungszeit, die seit 2007 von allen christlichen Kirchen jeweils ab dem 1. September begangen wird. In diese Zeit fällt in der Regel das Erntedankfest und sie endet mit dem Fest des Heiligen Franz von Assisi am 4. Oktober.
Franz von Assis wird vor allem aufgrund seines radikalen Bekenntnisses zur Armut und zu den Werten des Evangeliums verehrt. Vielen von uns aber ist er auch wegen seiner Nähe zur Natur und zu Tieren vertraut, wie nicht zuletzt sein Denkmal auf dem Franziskanerplatz bezeugt. Sein berühmter „Sonnengesang“ gilt als das älteste Zeugnis italienischer Literatur. Franziskus nennt die Sonne (die im Italienischen männlich ist) „Bruder“ und den Mond „Schwester“. Anders als viele moderne Menschen steht er der Schöpfung nicht gegenüber, sondern erfährt sich als Teil von ihr, als Geschöpf unter Geschöpfen. Ich denke, es lohnt sich, diesen mittelalterlichen Text noch einmal mit frischen Augen zu lesen. Vielleicht schenkt er uns sogar noch einen neuen Blick auf unsere Welt.
Höchster, allmächtiger, guter Herr,
dein sind das Lob, die Herrlichkeit und Ehre und jeglicher Segen.
Dir allein, Höchster, gebühren sie,
und kein Mensch ist würdig, dich zu nennen.
Gelobt seist du, mein Herr,
mit allen deinen Geschöpfen,
zumal dem Herrn Bruder Sonne,
welcher der Tag ist und durch den du uns leuchtest.
Und schön ist er und strahlend mit großem Glanz:
Von dir, Höchster, ein Sinnbild.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch Schwester Mond und die Sterne;
am Himmel hast du sie gebildet,
klar und kostbar und schön.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch Bruder Wind und durch Luft und Wolken
und heiteres und jegliches Wetter,
durch das du deinen Geschöpfen Unterhalt gibst.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch Schwester Wasser,
gar nützlich ist es und demütig und kostbar und keusch.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch Bruder Feuer,
durch das du die Nacht erleuchtest;
und schön ist es und fröhlich und kraftvoll und stark.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch unsere Schwester, Mutter Erde,
die uns erhält und lenkt
und vielfältige Früchte hervorbringt
und bunte Blumen und Kräuter.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch jene, die verzeihen um deiner Liebe willen
und Krankheit ertragen und Drangsal.
Selig jene, die solches ertragen in Frieden,
denn von dir, Höchster, werden sie gekrönt.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch unsere Schwester, den leiblichen Tod;
ihm kann kein Mensch lebend entrinnen.
Wehe jenen, die in tödlicher Sünde sterben.
Selig jene, die er findet in deinem heiligsten Willen,
denn der zweite Tod wird ihnen kein Leid antun.
Lobt und preist meinen Herrn
und dankt ihm und dient ihm mit großer Demut.
Ich wünsche uns allen viel Freude an der Schöpfung, und am
Geschöpf-Sein!
Sabine Schwartz